Arnold Schönberg und der Sommerfrischen-Antisemitismus im Salzkammergut
Online-Gedenkausstellung
Der Taufschein des Komponisten
Objekt #29
Der Taufschein des Komponisten
»Neue Freie Presse« 20415 (30. Juni 1921), p. 5
Österreichische Nationalbibliothek, Wien
»Ein bezeichnendes Sommererlebnis des bekannten Komponisten Arnold Schönberg berichtet unser Grazer Korrespondent. Der Künstler hatte Mattsee bei Salzburg zum Sommeraufenthalt gewählt. Dieser Tage wurde er von der dortigen Gemeindeverwaltung aufgefordert, durch Dokumente nachzuweisen, daß er kein Jude sei. Sollte dies der Fall sein, so habe er den Ort sofort zu verlassen, da infolge Gemeindebeschlusses Juden der Aufenthalt in der Gemeinde nicht gestattet sei. Obwohl Schönberg nachweisen konnte, daß er Protestant ist, hat er sich entschlossen, den Ort Mattsee zu verlassen. – Es ist weiter nicht verwunderlich, daß der Künstler es vorgezogen hat, weiteren Auseinandersetzungen mit dem Gemeindeausschusse aus dem Wege zu gehen; aber die Frage bleibt offen, ob die Bundesgesetze just in Mattsee im Salzburgischen in so ungenierter Weise außer Kraft gesetzt werden dürfen.«
Schönbergs Entschluss, sich aufgrund seiner jüngeren Erfahrungen im Salzkammergut der jüdischen Propaganda zu widmen, wurde möglicherweise durch eine Zeitungsnotiz in der »Neuen Freien Presse« befördert, die direkt unter dem im Schönberg-Kreis zirkulierenden Bericht über dessen Sommererlebnis in Mattsee abgedruckt war. Die Redaktion greift darin eine Nachricht aus Berlin über einen Vortrag Albert Einsteins bei einer zionistischen Veranstaltung im Blüthner-Saal auf, in der er über ein Initialereignis im Hinblick auf sein Engagement für den Aufbau Palästinas sprach.
Auf einer Reise nach Amerika, die der Propaganda der zionistischen Bewegung diente, habe er »zum erstenmal im Leben jüdisches Volk« und »jüdische Massen mit ungebrochenem Nationalgefühle« gesehen. »Aus seinen amerikanischen Erfahrungen leitete Einstein für die Juden die unbedingte Notwendigkeit ab, wieder ein Volk zu werden.« Einstein war im April 1921 zusammen mit Chaim Weizmann, dem neu gewählten Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation und späteren israelischen Staatspräsidenten, sowie Menachem Ussishkin, dem Vorsitzenden der Jewish Agency und ab 1922 Vorsitzenden des Jüdischen Nationalfonds, nach Amerika gereist, um für die zionistische Bewegung Unterstützer anzuwerben.
Das Publikums- und Medieninteresse an den Auftritten der Zionistenführer Weizmann und Ussishkin wurde durch die Prominenz Einsteins um ein Vielfaches gesteigert. Mehrere Tausend Juden hießen Einstein und die beiden anderen Vertreter der zionistischen Delegation bei ihrer Landung am Hafen in New York willkommen. Den Pressevertretern schilderte der Physiker, dass sein Hauptanliegen die materielle und moralische Unterstützung beim Aufbau der hebräischen Universität in Jerusalem sei.
Anfang 1920 setzte sich Einstein mit einem Beitrag im »Berliner Tageblatt« für die Rechte der Ostjuden ein, welchen aufgrund der großen Wohnungsnot vom Berliner Wohnungsamt die Abschiebung oder »Einsperrung in Konzentrationslager[n]« angedroht worden war (Die Judenhetze in Deutschland, in: »Wiener Morgenzeitung« 2/347 [9. Januar 1920], p. 1 f., hier p. 2). Spätestens seit dieser offenen Anprangerung politischer Missstände rückte er in das Zentrum rassistischer Anfeindungen. Im Februar 1920 wurde über Agitationen von Seiten der deutschnationalen Studentenschaft berichtet, die Einsteins Vorlesungen an der Universität Berlin mit antisemitischen Parolen gestört hatten. Im August 1920 wurde er nach anhaltenden Diskreditierungen zudem Opfer eines öffentlichen Angriffs rechtsradikaler Studenten, »die ihn umringten und ihm zuriefen: Nieder mit dem Juden! Diesem Saujuden! Die Gurgel soll Dir durchgeschnitten werden!« (Die Hetze gegen den Erfinder der Relativitätstheorie, in: »Tages-Post« 56/198 [28. August 1920], p. 7). Die Übergriffe waren das Resultat einem durch Nobelpreisträger Philipp Lenard initiierten Feldzug gegen Einstein, dessen allgemeine Relativitätstheorie er als »Judenbetrug« abtat.
Cf. Therese Muxeneder: Arnold Schönbergs Konfrontationen mit Antisemitismus (III), in: Journal of the Arnold Schönberg Center 16/2019. Edited by Eike Feß and Therese Muxeneder. Wien 2019, p. 165–254

Einführung

Die heurige Fremden-Saison in Mattsee
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Heinrich Schönberg mit Frau Berta und Tochter Margit
Objekt #2

Besuchen Sie mich
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6 04
Objekt #4

Hier ists sehr schön
Objekt #5

Harmonielehre
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Ein beliebtes Ferienziel
Objekt #7

Arroganz und morgenländische Allüren
Objekt #8

Schinakl fahren
Objekt #9

Judenfreie Sommerfrische
Objekt #10

Er ist gut gelaunt
Objekt #11

Heil Salzburg! Salzburg will den Anschluß!
Objekt #12

Wie geht es Dir und den Deinen in Mattsee?
Objekt #13

Sie werden mit mir zufrieden sein
Objekt #14

Kaiserin-Elisabeth-Bahn
Objekt #15

Gesellige Zusammenkünfte
Objekt #16

Antisemitische Scandale
Objekt #17

An Arier abzugeben
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Disharmonie
Objekt #19

Hinaus mit den Juden!
Objekt #20

Es geht ihnen dort sehr gut
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Arnold Schönberg: Felix Greissle
Objekt #22

Arnold Schönberg: Harmonielehre
Objekt #23

Arnold Schönberg: Die Lehre vom Zusammenhang
Objekt #24

Es muß prachtvoll dort sein
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Ich bleibe nicht einen Tag länger
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Bedrohung im eigenen Haus
Objekt #27

Judenfeindliche Kundgebungen
Objekt #28

Der Taufschein des Komponisten
Objekt #29

Arnold Schönberg: Über Zemlinsky
Objekt #30

Die Judenkolonie in Mattsee
Objekt #31

Diese unerhörte, unglaubliche Sache
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Der Gemeindearzt
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Ein arischer Sommerfrischler
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Eine judenreine Sommerfrische
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Einsteins Propagandarede
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Die ekelhafte Pressenotiz
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Verhetzung
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Rassenantisemitische Attitüde
Objekt #39

Es ist so still in mir
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Ideeller und materieller Schaden
Objekt #41

Zu Gast bei Max Ott
Objekt #42a

Zu Gast bei Max Ott
Objekt #42b

Ankunft in Traunkirchen
Objekt #43

Abreisen
Objekt #44

Zum Schluss sehr hässlich
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Zeitungen des In- und Auslandes
Objekt #46

Villa Josef
Objekt #47

Arnold und Mathilde Schönberg
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Wachgerüttelt
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Solche Verhältnisse
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Arnold Schönberg: Baronin Löwenthal
Objekt #51

Traunkirchen
Objekt #52

Arnold Schönberg: Präludium
Objekt #53

Eine lächerliche Sache
Objekt #54

Hegemonie auf dem Gebiet der Musik
Objekt #55